Aus der RHEINPFALZ von Brigitte Schmalenberg, am 22. Juli 2009
Hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein
Der Haftelhof bei Schweighofen als Kulturraum mit der „Werkstatt für verborgene Talente“ – Sommer-Serenade am Sonntag
Das Elsaß und die Südpfalz, die Rheinebene und das Rebenmeer, fruchtbare Felder und tiefgrüne Wälder – der schier grenzenlose Blick vom Haftelhof in alle Himmelsrichtungen ist phänomenal. Von Mönchen des Augustinerklosters Stephansfeld bei Straßburg gegründet, steht das rund 500 Jahre alte Anwesen heute jedermann offen, der Kultur genießen, über künstlerische Aktivitäten zu sich selbst finden oder einfach nur ein paar Urlaubstage verbringen will.
Das ist es! Als Leander Braun auf der Suche nach einem geeigneten Objekt für seine Oase schöpferischer Kraftentfaltung den Haftelhof entdeckte, da war ihm sofort klar, dass dieser Ort sämtliche Erwartungen erfüllt. Dass sich in den alten Klostermauern auf einem sanften Hügel über Schweighofen, abseits des knirschenden Alltagsgetriebes und doch nur drei Kilometer von Weißenburg entfernt, sein Traum von einem Refugium erfüllen lässt, in dem man zur Ruhe kommen und in dem sich „etwas Neues entwickeln“ kann. Ganz nach dem Faust‘schen Motto „hier bin ich Mensch, hier darf ich‘s sein“ fand der in Frankfurt lebende Wirtschaftsprüfer und Steuerberater just hier den geeigneten Platz für seine „Werkstatt für verborgene Talente“, die er in den vergangenen drei Jahren mit viel Sinn für Sinnlichkeit schuf und nun sukzessive mit Leben füllt. Bildhauer-, Mal- und Zeichenkurse, neuerdings auch Musikworkshops – allesamt geleitet von erfahrenen Dozenten – bieten nun jedermann, der sich darauf einlassen will, eine Auszeit vom Alltag und die Möglichkeit, sich selbst neu zu entdecken.
Die „Konzertreihe Musik auf dem Haftelhof“, für die Leander Braun, der selbst Saxofon spielt, auch international gefragte Interpreten wie die Sopranistin Marietta Zumbült gewinnen konnte, lockt schon jetzt Musikfreunde aus der weiten Region an und es ist ein glücklicher Zufall, dass in Schweighofen die Flötistin Carina Vogel und ihr Mann Rüdiger Jacobsen wohnen, der als Flötist an der Frankfurter Oper engagiert ist und die nun beide eine beratende Funktion für das musikalische Programm auf dem Haftelhof ausüben.
Keimzelle des einstigen Klosterhofes ist heute aber die „Werkstatt für verborgene Talente“, die auch deshalb so schnell wachsen konnte, weil sich um Leander Braun viele Gleichgesinnte scharten und einen spontanen Initiativkreis bildeten, der sich bereits zur gemeinnützigen GmbH auswuchs.
Schon gibt es jährlich fest verankerte Kurs- und Seminarangebote, wie das Holz- und Steinbildhauerseminar des Mannheimer Künstlers Hartmut Brunnenhaupt, die verschiedene Techniken bedienenden Malkurse der freischaffenden Pforzheimer Künstlerin Monika Roser und den Musikworkshop des weltweit angesehenen Raschèr-Saxophone-Quartets oder so außergewöhnliche Angebote wie das „meditative Singen“ (23. bis 25. Oktober), worunter Kursleiter Anselm Richter (Bariton) die Einführung in gregorianische Gesänge und Taizélieder versteht. Inspiriert werden die Teilnehmer all dieser Projekte freilich durch die besondere Atmosphäre, die den Veranstaltungsort mit seiner weiträumigen Lage und interessanten Geschichte prägt.
Sogar die Gästezimmer – die auch unabhängig von einer Seminarteilnahme buchbar sind – strahlen mit ihrem mediterranen Flair und den schlichten Massivmöbeln aus der Klosterschreinerei Maria Laach ein besonderes Ambiente aus und gelten (noch) als Geheimtipp für Firmenfeiern, Familienfeste und nicht zuletzt für Jakobspilger, die das Anwesen auf ihrer spirituellen Wegstrecke durch die Südpfalz streifen. Schließlich will ja auch der Haftelhof explizit dazu einladen „zur Besinnung zu kommen“, innezuhalten und einen neuen „Aufbruch zu wagen“.
Nicht immer übrigens ging es hier, an der Schnittstelle zu Frankreich, spirituell oder gar religiös zu, obgleich der Hof, den die Augustiner um 1500 an die Herrschaft zu Guttenberg verkauften, eine Heilig-Geist-Kapelle und später auch einen Gebetsraum für Mennoniten barg.
Das große Anwesen hatte über Jahrhunderte hinweg vor allem landwirtschaftliche Bedeutung, bot in seinen Anfängen Platz für die größte Schafzucht der Region und umfasste anno 1726, als es von Pfalzgraf Gustav Samuel Leopold an einen Georg von Jaeger verkauft wurden, satte 252 Morgen Feld, 40 Morgen Wald und 37,5 Morgen Wiese.
Jaegers Schwiegersohn war es, der das Gebäude samt Kapelle im Jahr 1775 völlig neu aufbaute, aber zwei Jahre später starb, sodass ihm die Französische Revolution erspart blieb, die auch den Haftelhof mächtig durcheinanderwirbelte. Der wurde zum Lagerplatz des Weißenburger Volkssturms, zum Hinrichtungsort des französischen Kapitäns Comte de Momay und letztendlich zum Besitz der Jakobiner, die der Heilig- Geist-Kapelle den Garaus machten und den umliegenden Wald rodeten. Eine bis heute spürbare Narbe der Französischen Revolution ist die Zweiteilung des Haftelhofs in einen Ost- und einen Westpart. Letzterer wird nun von zwei Privatfamilien bewohnt, der östliche Teil ist seit drei Jahren im Besitz Leander Brauns, der seinen Teil des Anwesens mit viel Idealismus renovierte und die alten Scheunen zu Kulturstätten umwandelte.
Wer sich das geschichtsträchtige Anwesen samt seiner aktuellen Bestimmung für Kunst und Kultur genauer anschauen will, dem bietet sich bei der „Sommer-Serenade“ am kommenden Sonntag eine passende Gelegenheit.
Der Gastherr verspricht einen „Tag zum Genießen: musikalisch, kulinarisch, atmosphärisch“ und wird unter anderem den „Harfentüftler und KlangWelten-Erfinder“ Rüdiger Oppermann begrüßen, der mit Unterstützung seines „Oppermann Tribe“ für die Programmgestaltung verantwortlich zeichnet und Enkh Jargal mit dessen mongolischer Pferdekopfgeige als „Special Guest“ einführt.